Alles in allem bin ich ein zufriedener Mensch. Nein, ein glücklicher Mensch. Ein Sonntagskind.
Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, wie rum es richtig ist (ganz nach der berühmten "Huhn oder Ei - Frage"). Hat man Glück, weil es einfach von allein zu einem kommt? Oder empfindet man sich als vom Glück begünstigt, weil man etwas dafür tut? Sich Ziele setzt und versucht diese zu erreichen? Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem.
Ich werde in diesem Jahr 32. Mit ein bisschen Glück (da ist es schon wieder ;-)) habe ich also bisher erst ein Drittel meines Lebens gelebt. Selbst wenn es schlecht läuft, hoffe ich noch (mehr) als die Hälfte vor mir zu haben. Das sind gute Aussichten, denn ich habe ja auch noch viel vor. Trotzdem: Müsste ich heute, morgen, nächste Woche den Löffel abgeben (ich hatte mal einen Bekannten, der zu diesem Zweck tatsächlich immer einen Teelöffel dabei hatte!), ich hätte glücklich gelebt. Hätte eine glückliche Kindheit mit liebevollen Eltern, ein halbwegs erfolgreiches Schul- bzw. Berufsleben, ein erfülltes Erwachsenen-Privatleben mit dem weltbesten Göttergatten, tollen und zuverlässigen Freunden, einem fantastischen Sohn, unserem Häusle-Traum und vielen schönen Erlebnissen gehabt. So schlecht ist das nicht.
Trotzdem käme ich ohne akuten Anlass nicht auf die Idee, meinen eigenen Nachruf zu schreiben. Ich möchte das auch gar nicht tun (selbsterfüllende Prophezeiung und so ;-)), aber wenn, dann würde ich mich bei einigen Menschen bedanken wollen, würde mich an besondere Momente erinnern und vielleicht schreiben, wie sie mich zu dem gemacht haben, was ich bin. Nicht alles ist immer gut, auch negative Punkte oder Wegbegleiter gäbe es zu erwähnen, aber es wäre ein zuversichtlicher Text. Ein zufriedener Text, der sich wohl hauptsächlich gar nicht direkt um mich sondern um mein Umfeld drehen würde.
Bine und Caro von der Lesenden Minderheit haben im letzten Quartal 2014 als Buchthema "Kurzgeschichten" vorgegeben. Schon lange hatte mich das Buch von Christiane zu Salm angelacht, in dem todkranke Menschen ihren eigenen Nachruf schreiben. Gerade weil ich einige Zeit gut mit einer Krankenschwester und Sterbebegleiterin befreundet war und mir einige Geschichten aus ihrem Alltag bekannt waren, hat es mich sehr interessiert.
Das Buch ist nicht so traurig wie man denkt - es ist vielmehr ernüchternd und etwas desillusionierend. Einige Texte sind Nachrufe, wie ich sie vielleicht so ähnlich selbst verfasst hätte. Aber das sind die wenigstens. Die meisten empfand ich als wahnsinnig unsympathisch. Selbstbezogen, undankbar, verbittert. Furchtbar. Ich habe mich mehrfach während des Lesens gefragt, ob alte kranke Menschen so werden, um ihren Lieben den Abschied einfacher zu machen. Ob Krankheit und Abnutzung des Hirns einfach so aussehen, dass man garstig und anspruchsvoll wird, ohne die Bereitschaft Ressourcen für das eigene Glück einzusetzen. Jammern ist halt der einfachere Weg.
Ich hoffe inständig, dass ich nicht so werde. Ich weiß gern, was auf mich zukommt. Ich gehe Probleme gerne selbst an und mag es nicht, fremdbestimmt auf Lösungen zu warten. Hoffentlich bleibt das so.
Auch wenn es sich bei "Dieser Mensch war ich - Nachrufe auf das eigene Leben" also nicht um ein "schönes" Buch handelt... lesenswert ist es allemal und ein guter Anlass mal die eigene Einstellung zum Leben und vielleicht auch zum Tod zu überdenken.
Und bevor Ihr denkt, dass ich in diesem frischen Jahr zum Grübeln über weltbewegende Themen neige - ich habe gleich im Anschluss noch ein viel fröhlicheres, lebensnahes Buch mit Kurzgeschichten gelesen. Mir geht es also gut und der Bericht dazu kommt bald ;-)
Mehr tolle Buchtipps gibt es bei der Lesenden Minderheit!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen